Ein glücklicher Vater hält sein lachendes Baby im Arm und berührt seine Stirn.

Scientific Interview

Werdende Väter im Hebammenzentrum

Regina Zsivkovits


Interview mit Regina Zsivkovits, Hebamme & Geschäftsführerin des HEBAMMENZENTRUMs Wien (AT) zu ihren Erfahrungen in der Arbeit mit Vätern, durchgeführt von Johanna Tiroch, Medical Science Liaison Managerin bei MAM Babyartikel GmbH.

Expertinnen Interview

    Es freut mich sehr, dich Regina Zsivkovits, zu eurem Väterprojekt im HEBAMMENZENTRUM Wien (AT) interviewen zu dürfen.

    Regina: Vielen Dank für die Möglichkeit unser Väterprojekt näher vorzustellen.

    Was ist euer Grundanliegen im Väterprojekt?

    Regina: Das Grundanliegen des HEBAMMENZENTRUM Väterprojektes ist das Berücksichtigen der unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern, die sich nur eines gemeinsam wünschen - eine freudvolle Bewältigung der Aufgaben: Schwangerschaft, Geburt und Kind.

    Das klingt sehr spannend. Welches Ziel verfolgt ihr mit dem Väterprojekt?

    Regina: Unser Väterprojekt hat zum Ziel, Männer emotional auf die Geburt vorzubereiten. Vor allem darauf, dass sie nicht gelassen sein werden, wenn die scheinbar unmögliche Vorstellung eintritt, dass ein gesundes Baby aus der Vagina ihrer Partnerin geboren wird. Zugleich soll es ein Signal an die schwangeren Frauen sein, dass wir auch auf die Väter achten und sie informieren. Somit wollen wir Hebammen allen Anwesenden bei der Geburt Unterstützung geben – was schon immer Teil unserer Arbeit war.

    Das HEBAMMENZENTRUM spricht bewusst vermehrt Männer an, wollt ihr unterstützend beim Wandel der Geschlechterrollen von Mann und Frau agieren?

    Regina: Ja, das siehst du richtig, die Geschlechterrollen erfahren aktuell einen kontinuierlichen Wandel in der Gesellschaft, welcher auch die werdenden Väter erreicht. Sie wollen wie Mütter ihre sorgenden Anteile, die sie in sich tragen, ausleben, berührt sein und berühren.

    Verändert die Geburt des eigenen Kindes etwas an den Bedürfnissen des Mannes innerhalb der Partnerschaft?

    Regina: Ja, durch die Geburt ihres Kindes tritt das Bedürfnis noch stärker in den Vordergrund aktiv zu sein, die Verantwortung des neuen Lebens, also ihres Kindes, mitzutragen und ihre Partnerin zu unterstützen.

    Worin siehst du dabei die Aufgabe von euch Hebammen? Wie unterstützt ihr dabei werdende Väter in eurem Projekt?

    Regina: Wir haben es zu unserer Aufgabe gemacht den Männern, die unser Väterprojekt besuchen, begreiflich zu machen, wie tief sie betroffen sein werden, so wie kaum jemals zuvor. Unter anderem wird ihnen dieses emotionale Empfinden den Weg zu ihren Gefühlen ihrem Kind gegenüber erleichtern.

    Das klingt nach einer Aufgabe, die sehr viel Empathie verlangt. Bleiben wir bei den Emotionen. Die Geburt an sich ist neben den physiologischen Vorgängen ein sehr emotionales Geschehen für alle Beteiligten. Kannst du uns beschreiben, welche Emotionen Väter dabei am häufigsten erleben?

    Regina: Ja es ist sehr emotional und ein Kraftakt für die Frau. Die Emotionen umfassen ein unter Tränen Bestaunen ihres Kindes, sowie die Freude über dessen Lebendigkeit. Zu den freudigen Emotionen mischen sich aber auch Ängste.

    Warum kommt es zu den Ängsten? Wie geht ihr Hebammen damit um?

    Regina: Die Ängste rühren von der großen Betroffenheit aber auch der großen Unbeholfenheit und Ohnmacht, wie sie mit den Schmerzen ihrer Frau und der Kraft der Geburt umgehen sollen. Männer könnten agieren, ginge es um ihren eignen Körper.

    Könnt ihr diese Ängste den Eltern im Vorfeld nehmen?

    Regina: Ja, wir bemühen uns hier aufzuklären und die Ängste anzusprechen, da sie sonst unbeantwortet im Raum stehen. Dazu gibt es unteranderem unser Väterprojekt.

    Bleiben wir bei den Vätern; was sind die Bewegründe von Vätern, euren Vortrag „Werdende Väter“ zu besuchen?

    Regina: Die Gründe sind unterschiedlich. Es kommen Partner, die sich umfassend auf die Geburt und die Veränderungen der Frau vorbereiten möchten, sowie auch jene, die von ihrer Frau dazu aufgefordert wurden. Eines ist jedoch bei fast allen gleich: zu Beginn sind sie im Vortrag angespannt und nach wenigen Minuten, in denen die vortragende Hebamme in ihrer fachlichen Kompetenz geprüft wurde und ihre Ruhe bewahren kann, entspannt sich die Situation.

     Wie geht es dann weiter?

    Regina: Die werdenden Väter hören offen zu, weil sie oft Unterstützung brauchen und diese suchen. Die Vaterschaft berührt alles in ihnen und lässt sie weiterwachsen. Ebenso verlangt ist Eigenverantwortung, nicht nur bei der Geburt, sondern auch im Alltag mit dem Neugeborenen. Väter möchten diese Aufgabe annehmen und eine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen.

    Welche Themen beschäftigen die Väter besonders?

    Regina: Die Themen sind sehr vielfältig von:

    • Wo schläft das Kind?
    • Wie massiere ich meine Frau?
    • Warum gehen wir in all die Kurse?
    • Alles dreht sich um die Geburt – meine Partnerin bittet mich aufzupassen, dass bei der Geburt alles so abläuft wie wir es uns wünschen (schaffe ich das?)!
    • Wie lange sollen wir zuhause bleiben?
    • Sie wünscht sich, dass wir all die Bücher lesen und alles planen, aber das geht doch gar nicht.
    • Papamonat
    • Konkrete Versorgung der Wöchnerin.
    • Besucherplanung.
    • Wie kann wegen einem Baby so viel mehr zu tun sein?

    Das sind sehr vielfältige Themen. Gibt es auch Themen die nicht gefragt aber von euch Hebammen angesprochen werden?

    Regina: Ja, gibt es, hier geht es vor allem um das Thema Sexualität in der Schwangerschaft und nach der Geburt, denn da sind oft Unsicherheiten vorhanden. Auch das Zuschauen bei der Geburt, die Angst vor Blut. Und die Frage, will ich dabei sein? Wie gehen Väter mit den Herausforderungen im Baby-Alltag am besten um?

    Das hört sich sehr gut an. Euer Väterprojekt deckt ein weites Spektrum an Themen ab, welche die Paarbeziehung während der Schwangerschaft und Geburt, sowie den Übergangsprozess in die neue Rolle als Eltern einbeziehen. Konntet ihr bereits Auswirkungen des Väterprojekts beobachten?

    Regina: Die Auswirkungen sind vielfältig, vor allem auf die Partnerschaft und das gegenseitige Verständnis. Oft wird uns von Frauen berichtet, dass ihr Partner seither wie ausgewechselt ist.

    Was ist euch für das Väterprojekt im HEBAMMENZENTRUM besonders wichtig?

    Regina: Dass die Geburt eines Kindes zur gemeinsamen Angelegenheit wird, also der schwangeren Frauen UND der werdenden Väter. Die Mühen der Hebammenarbeit bei der Unterstützung des Zueinanderfindens von Mutter und Kind sowie Vater und Kind, bedeuten auch gesellschaftlich notwendige Veränderungen umzusetzen und dahingehend zu beraten und zu betreuen.

    Was möchtest du uns noch zum Abschluss mitgeben?

    Regina: Wir arbeiten im HEBAMMENZENTRUM im Sinne einer Unterstützung der Gleichstellung von Mann und Frau. Mit unserem Väterprojekt möchten wir hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Väterangebote im Hebammenzentrum

  • Geburtsvorbereitungskurs mit Väterschwerpunkt
  • Vätervortrag 1x monatlich, seit 2004
  • Workshop Wochenbett
  • 2:1 – Väter lernen Babymassage, gleichzeitig besuchen die Mütter einen Rückbildungskurs
  • Vätertreffen mit Baby
  • Väter-Einzelberatung durch die Hebamme
  • Väter-Einzelberatung durch den Väterberater

Regina Zsivkovits

Hebamme 

Regina Zsivkovits (geboren 1964) begleitet werdende Mütter und Väter seit 1987 als Hebamme und seit 1989 als freie Hebamme. Sie ist begeistert von der Wandelbarkeit des Körpers und den seelischen sowie emotionalen Zuständen von Frauen vor, während und nach der Geburt. Zu ihrem Angebot zählen unter anderem Mutter-Kind-Pass-Beratungen, Hausgeburten und Nachbetreuungen.

Kontakt:

Hebammenzentrum, 1170 Wien

Buchtipps:

1 Berhard Gitschtaler, Papa werden!

2 Steinhardt, Datler, Gstach (Hg.), Die Bedeutung des Vaters in der frühen Kindheit

3 Egon Garstick, Junge Väter in seelischen Krisen

4 Elterninfo Nr. 20, Väter, Elwin Staude Verlag