Lächelnde schwangere Frau frühstückt auf ihrem Bett. (17. SSW)

Scientific Article

Die richtige Ernährung in der Schwangerschaft

Marlein Stasche


Für Mutter und ihr ungeborenes Kind ist ein gesunder Lebensstil bedeutsam für Wohlbefinden und Gesundheit. Nicht eine spezielle Kostform, sondern eine ausgewogene Ernährung spielt die entscheidende Rolle für die gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes. Dabei wird der Kalorienbedarf während der Schwangerschaft meist überschätzt und die Wichtigkeit, dass Folsäure und Jod trotz abwechslungsreicher gesunder Ernährung substituiert werden sollte, unterschätzt. Die Massnahmen zum Schutz vor Infektionen durch den Verzicht bestimmter Nahrungsmittel sollte aufgrund von Risiken an einer Toxoplasmose oder Listeriose zu erkranken, ernst genommen werden. Auf Alkohol sollte verzichtet werden und der Kaffeekonsum ist auf 3 Tassen pro Tag begrenzt.

Mehr ist weniger

Der Energiebedarf einer Schwangeren ist weniger erhöht als die meisten vermuten. Im ersten Trimester besteht kein höherer Energiebedarf. Im zweiten Trimester steigt er um 250 kcal/Tag und im dritten Trimester erhöht er sich um 500 kcal/Tag. Der erhöhte Energiebedarf wird für die Gewebebildung, für die Plazenta und den Fetus sowie die erhöhte Lungen- und Herztätigkeit genutzt. Mit dieser Energiezufuhr sollte eine normalgewichtige Frau während der Schwangerschaft etwa 12 kg an Gewicht zunehmen.1 250 kcal sind schnell verzehrt: eine Scheibe Vollkornbrot mit Käse oder ein Becher Naturjoghurt mit einer Handvoll Beeren plus vier Esslöffeln Haferflocken haben 250 kcal. Um auf 500 kcal mehr zu kommen, reicht oft schon ein Nachschlag vom Mittagessen. Im Verhältnis zum Energiebedarf steigt der Bedarf an einigen Vitaminen und manchen Mineralstoffen stark. Um trotz des nur leicht erhöhten Energiebedarfs Mutter und Kind mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen, gelten folgende Regeln allgemein als angebracht:

Bevorzugen Sie Vollkornprodukte anstelle von Weissmehlprodukten, so sind Sie besser mit B-Vitaminen versorgt. Eine Scheibe am Tag mehr als vor der Schwangerschaft, ist eine richtige Entscheidung. Fettarme Milchprodukte haben gegenüber fettreichen Milchprodukten bzgl. Mikronährstoffe keine Nachteile. Sie sparen Fett und Energie zugunsten des Verzehrs von mehr Lebensmitteln, um auf eine höhere Mikronährstoffversorgung zu kommen. Es darf auch hier eine Portion mehr gegessen werden, um den erhöhten Proteinbedarf zu decken. Zusätzlich sollte täglich eine Portion Gemüse oder Obst gegessen werden, um den Bedarf an Vitamin C und Folsäure voll oder teilweise zu decken.

Folsäure und Jod – bei Kinderwunsch schon zuführen

Trotz aller Anstrengung ausgewogen zu essen, wird allen Schwangeren eine Substitution von Folsäure wie auch Jod empfohlen, da die Versorgung über die Lebensmittel nicht hinreichend ist. Frauen, die gerne schwanger werden möchten, sollten schon vor der Schwangerschaft Folsäure in Form eines Supplementes von 400 µg Folsäure/Tag einnehmen. Folsäure ist u.a. wichtig für die Zellteilung und für Wachstumsprozesse. Laut Nationale Verzehrstudie II wird in der deutschen Bevölkerung der Referenzwert für Folsäure nur zu 86% erreicht. Bei einer Steigerung des Referenzwertes um 50% - wie während der Schwangerschaft von den Fachgesellschaften gefordert wird - ist daher von einer Versorgungslücke auszugehen. Mit dieser Massnahme der frühzeitigen Substitution wird das Risiko für kindliche Fehlbildungen des Nervensystems sowie Neuralrohrdefekten, aber auch weiterer Fehlbildungen wie angeborene Herzfehler und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten minimiert.2 Pflanzliche Lebensmittel wie grünes Blattgemüse, Kohl, Hülsenfrüchte, Tomaten sowie Orangen und Vollkornbrot sind folsäurereich und tragen zur Folsäureversorgung bei, sind aber alleine nicht ausreichend.

Ebenso ist neben Folsäure eine gute Jodversorgung schon vor der Schwangerschaft wichtig. Frauen mit Kinderwunsch sollten zum einen darauf achten, dass sie jodiertes Salz im Haushalt verwenden und bei Teilnahme in der Gemeinschaftsverpflegung jodiertes Salz eingesetzt wird. Auch der Bäcker sollte seine Brote mit jodiertem Salz herstellen, um die Jodversorgung von 200 µg/Tag zu decken. In jodiertem Salz findet man 15 bis 25 mg Jod je kg Speisesalz. Mit 5 g jodiertem Salz und damit hergestellten Lebensmitteln deckt man die Hälfte des Jodbedarfs.3

Der Referenzwert für die Jodzufuhr steigt in der Schwangerschaft von 200 µg auf 230 μg pro Tag an. Durchschnittlich werden pro Tag etwa 120 µg Jod mit der Nahrung und mit jodiertem Speisesalz aufgenommen. Es entsteht somit eine Versorgungslücke, die durch ein Jodsupplement, z.B. in Form von Jodtabletten, von 100 bis 150 µg Jod gefüllt werden sollte. Studien belegen, dass sich bereits ein milder Jodmangel in Schwangerschaft ungünstig auf die Gehirnentwicklung auswirkt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Jodmangel als die häufigste Ursache für vermeidbare frühkindliche Hirnschädigungen.4

Jod befindet sich vor allem in Seefisch, der aber von einem grossen Teil der Bevölkerung selten gegessen wird. Empfohlen werden 2 Seefischmahlzeiten pro Woche, die Verwendung von jodiertem Speisesalz und der regelmässige Verzehr von Milch und Milchprodukten sowie Backwaren mit Jodsalz.

Eisen – um 100 % ist der Referenzwert erhöht

Auch wenn der Referenzwert für Eisen um 100% auf 30 mg/Tag erhöht ist, bedarf es keiner generellen Supplementierung, da während der Schwangerschaft die intestinale Eisenresorption steigt und der menstruelle Blutungsverlust entfällt. Schwangeren wird empfohlen den Eisenwert überprüfen zu lassen und dann gegebenenfalls ein Eisenpräparat zu verwenden. Zu den gut resorbierbaren Eisenquellen zählt das Hämeisen. Fleisch sollte 3 mal und Fisch 2 mal die Woche auf dem Speiseplan stehen. Auch die Eisenaufnahme aus Getreide und eisenreichen Gemüsesorten kann durch die Zufuhr von Vitamin C in Form von z.B. Orangen verbessert werden. Dieses sollten Schwangere beherzigen, insbesondere wenn sie wenig Fleisch essen.

Schutz vor Lebensmittelinfektionen

Toxoplasmose und Listeriose sind lebensmittelbedingte Infektionen. Während der Schwangerschaft können sie auf das ungeborene Baby übergehen und zu schweren Erkrankungen bis hin zum Tod des Kindes führen. Bei etwa 50 von über 600 000 Schwangerschaften bzw. Geburten pro Jahr in Deutschland kommt es laut amtlicher Statistik des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Komplikationen durch Lebensmittelinfektionen.

Alkohol – no go!

Sobald eine Frau weiss, dass sie schwanger ist, sollte Sie auf Alkohol komplett verzichten. Die Alkoholmenge für das individuelle Risiko ist unbekannt. Daher soll, um das ungeborene Baby vor Fehlbildungen, Wachstumsstörungen usw. zu schützen, kein Alkohol getrunken werden.6 Um keine Schuldgefühle bei der Mutter, die von der Schwangerschaft nichts wusste, auszulösen, gilt die Aussage, dass beim Konsum von geringen Mengen an Alkohol das Risiko für Schäden äusserst gering ist.

Auch wenn das Risiko klein erscheint, wird Schwangeren dringend empfohlen, keine rohen tierischen Lebensmittel zu essen. Dazu zählen: rohes oder nicht durchgebratenes Fleisch, Rohwurst (z. B. Salami) und Rohschinken, roher Fisch und rohe Meerestiere, Rohmilch, rohe Eier sowie daraus hergestellte, nicht ausreichend erhitzte Speisen und Produkte. Auch Weichkäse, auch aus wärmebehandelter Milch, und Räucherfisch sind zu meiden. Weiterhin ist es wichtig, Obst, Gemüse und Salate vor dem Verzehr gründlich zu waschen, frisch zuzubereiten und bald aufzubrauchen. Vorbereitete, abgepackte Salate werden Schwangeren nicht empfohlen. Ausserdem sollte man darauf achten, dass mit Erde behaftete Lebensmittel, wie z. B. Karotten oder Kartoffeln, getrennt von anderen Lebensmitteln aufzubewahren und vor der Verwendung gründlich zu waschen sind.5

Kaffee – moderat!

Bis zu 3 Tassen Kaffee am Tag gelten für eine Schwangere als unbedenklich und auf koffeinhaltige Energydrinks sollte ganz verzichtet werden. Ein höherer Genuss könnte sich negativ aufs Geburtsgewicht und die Schwangerschaftsdauer auswirken.7

Marlein Stasche

Oecotrophologin

Die diplomierte Oecotrophologin Marlein Stasche hat unter ihrem Pseudonym Anne Iburg schon über 30 Ernährungsratgeber und Bestseller geschrieben. Sie hat eine eigene Praxis für Ernährungstherapie in Kaiserslautern. Mehr über die Autorin und ihre aktuellen Bücher finden Sie auch auf www.marlein-stasche.de

1Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung. D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Neustadt an der Weinstraße. 2. Auflage, 2. Aktualisierte Ausgabe. Frankfurt am Main: Umschau/Braus; 2016
2De-Regil LM, Fernandez-Gaxiola AC, Dowswell T, Pena-Rosas JP. Effects and safety of periconceptional folate supplementation for preventing birth defects. Cochrane Database Syst Rev 2010: CD007950 
3http://jodmangel.de/jod-in-der-ernaehrung/jodsalz/ aufgerufen am 17.10.2017 
4Remer T, Johner SA, Gärtner R, Thamm M, Kriener E.: Jodmangel im Säuglingsalter - ein Risiko für die kognitive Entwicklung. Dtsch Med Wochenschr 2010;135:1551-6 
5Berthold Koletzko, Carl-Peter Baue, Peter Bung, Monika Cremer, Maria Flothkötter, Claudia Hellmers, Mathilde Kersting, Michael Krawinkel, Hildegard Przyrembel, Regina Rasenack, Torsten Schäfer, Klaus Vetter, Ulrich Wahn, Anke Weißenborn, Achim Wöckel: Ernährung in der Schwangerschaft Handlungsempfehlungen des Netzwerkes „Gesund ins Leben- Netzwerk Junge Familie Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW), Ausgabe 24/2012 und Ausgabe 25–26/2012
6Brust JC. Ethanol and cognition: indirect effects, neurotoxicity and neuroprotection: a review. Int J Environ Res Public Health 2010; 7: 1540–1557
7Jahanfar S, Sharifah H. Effects of restricted caffeine intake by mother on fetal, neonatal and pregnancy outcome. Cochrane Database Syst Rev 2009; CD006965, DOI: 10.1002/14651858.CD006965.pub2